Bedarfsplanung: Grundlage für die vertragsärztliche Versorgung
Viele Ärzte möchten gern ihr eigener Herr sein und in der eigenen Praxis behandeln, wenn möglich, nahe am Heimat- oder Studienort. Diese Wünsche stimmen jedoch nicht immer mit der Realität überein, zur Niederlassung braucht man einen freien Arztsitz. Nach welchen Kriterien richtet sich der Bedarf an Medizinern? Sie erfahren im Folgenden, wie die Bedarfsplanung funktioniert und eine optimale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gewährleistet. Der Artikel informiert über ihre Grundlagen, deren Umsetzung und darüber, was Sie als Arzt vor der Selbstständigkeit beachten müssen. Wir beantworten die Frage, welchen Einfluss die Bedarfsplanung auf Ihre Niederlassungswünsche hat.
Was bedeutet Bedarfsplanung?
Die Planung des Ärztebedarfs ist ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Leistungsbereitstellung im Gesundheitswesen. Ärzte sollen sich möglichst dort niederlassen, wo sie gebraucht werden. Damit wird verhindert, dass in einer Region zu viele Vertragsärzte praktizieren, während in einer anderen Ärztemangel herrscht. Diese öffentliche Aufgabe realisieren die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV).
Die ambulante Gesundheitsversorgung muss zu jedem Zeitpunkt in erster Linie durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gesichert sein. Der Idealzustand wäre, dass an jeder Stelle genauso viele Ärzte praktizieren, wie es die Bevölkerungsstruktur in dem Versorgungsgebiet erfordert. Das ist schwer zu erreichen und ergibt sich nicht von allein. Durch diese gesellschaftliche Aufgabe können private Lebenspläne angehender Freiberufler beeinflusst werden. Ob Ärzte eine Praxis in ländlicher oder städtischer Umgebung eröffnen, hängt nicht nur von den persönlichen Präferenzen des künftigen Praxisinhabers ab, sondern vor allem vom Ärztebedarf in der gewünschten Niederlassungsregion. Die Bedarfsplanung regelt, wie viele Mediziner es in einem bestimmten Gebiet gibt und wie sie regional verteilt sind. Diese Aufgabe wird durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KV der Länder wahrgenommen. Dadurch wird verhindert, dass in einem Landkreis zum Beispiel zu viele Augenärzte ansässig sind, während in einem anderen Kreis kein einziger selbstständig arbeitet. Ziel der Planung des Ärztebedarfs ist es, Fehlversorgung zu vermeiden und flächendeckend zu sichern, dass Patienten wohnortnah behandelt werden können.
Es geht dabei um die Betreuung von sozialversicherten Patienten, die durch Vertragsärzte erfolgt. Diese benötigen eine Kassenzulassung, wenn sie neben Privatpatienten und Selbstzahlern auch gesetzlich Krankenversicherte behandeln wollen. Die Kassenzulassung erteilt auf Antrag der zuständige Zulassungsausschuss der KV, Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen. Der Vertragsarzt muss ein Facharzt und ins Arztregister eingetragen sein. Fachärzte absolvieren eine 5- bis 6-jährige Weiterbildung in einer medizinischen Fachrichtung sowie die entsprechende Facharztprüfung. Damit sind bestimmte Qualitätsstandards in der Behandlung gewährleistet. Die Kassenzulassung gilt nur für den genehmigten Vertragsarztsitz.
Welche rechtlichen Grundlagen gelten?
Die Planung des Ärztebedarfs erfolgt auf Basis der Bedarfsplanungs-Richtlinie (Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung). Sie gibt bundesweit den einheitlichen Rahmen für die Planung des Bedarfs an Vertragsärzten vor. Die Richtlinie wiederum beruht auf den §§ 99 – 105 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).
Um eine bundesweit einheitliche Planungssystematik zu garantieren, wurden die Vorgaben der Bedarfsplanungs-Richtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erarbeitet. Er besteht aus Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), der Leistungserbringer KBV und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sowie mit beratenden Patientenvertretern. Da die alleinige Orientierung an zentralen Vorgaben nicht ausreichend war, wurde die Gesetzgebung in den letzten Jahren weiterentwickelt und konkretisiert. Mit ergänzenden Vorschriften richtet sich der Planungsbedarf stärker an territorialen Erfordernissen aus.
In der Bedarfsplanungs-Richtlinie wird definiert, wie viele Einwohner ein Arzt zu versorgen hat, wie groß die Planungsbereiche sind, welche regionalen Besonderheiten ein Abweichen von den bundeseinheitlichen Vorgaben rechtfertigen sowie wann von einer Über- oder Unterversorgung der Bevölkerung auszugehen ist. Darüber hinaus gilt die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), die das Zulassungsverfahren für Ärzte regelt. Diese Verordnung verfügt u. a., dass Vertragsärzte persönlich in freier Praxis ihre Tätigkeit ausüben sowie am Ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen sollen.
Wie funktioniert die Bedarfsplanung?
Während die allgemeinen Bedarfsvorgaben bundesweit gelten, wird auf Landesebene zum Stand der medizinischen Versorgung ein Bedarfsplan erstellt. Er bildet das Fundament für Zulassungen und Sicherstellungsmaßnahmen. Der Bedarfsplan enthält die Beschreibung der allgemeinen Grundlagen der Bedarfsplanung, ihre Ziele, das ambulante Versorgungsniveau, die Begründung der regionalen Abweichungen und die konkrete Versorgungslage in den einzelnen Planungsbereichen je Arztgruppe. Er gliedert sich in 3 Teile und wird fortlaufend aktualisiert:
- Teil 1 enthält die regionale Versorgungssituation mit:
- Angaben zur Ärzteversorgung und zu weiteren medizinischen Versorgungsangeboten,
- Daten zur Bevölkerungsdichte und -struktur, andere soziodemografische Faktoren wie Geschlecht, Familienstand, Wohnsituation und zur Nachfrage nach ärztlichen Leistungen,
- Informationen zu Lage, Klima, Infrastruktur des Planungsgebietes und sonstigen geografischen Besonderheiten sowie
- Zielen der Planung des Ärztebedarfs.
- Teil 2 enthält die lokale Spezifik, beispielsweise wo und weshalb von den Vorgaben der Planungs-Richtlinie abgewichen wird.
- Teil 3 umfasst die sogenannten Planungsblätter, die aktuelle Daten zur Versorgung verzeichnen.
Die Teile 1 und 2 des Bedarfsplans werden im Rhythmus von 3 bis 5 Jahren fortgeschrieben, Teil 3 aller 6 Monate aktualisiert. Der Bedarfsplan ist das zentrale Instrument der Planung des Ärztebedarfs. So können die medizinische Versorgung ständig überprüft und analysiert sowie, falls notwendig, Maßnahmen zur Stabilisierung der vertragsärztlichen Versorgung abgeleitet werden.
Zunächst müssen die KV und Landesverbände der Krankenkassen über den Bedarfsplan Einvernehmen erzielen. Der so beschlossene Plan muss den zuständigen Landesämtern und -behörden für Gesundheit zur Genehmigung vorgelegt werden. Sie können Auflagen erteilen oder den Plan in seiner momentanen Fassung ablehnen. In diesem Fall fungiert der Landesausschuss der Ärzteschaft und Krankenkassen als Schiedsgremium. Sind die offenen Punkte geklärt, trifft der Landesausschuss die erforderlichen Beschlüsse. Er stellt eine bestehende oder drohende Unter- bzw. Überversorgung fest und sperrt oder öffnet die betreffenden Planungsbereiche. An diese Beschlüsse müssen sich die örtlichen Zulassungsausschüsse der KV-Bezirke halten.
Auf welchen Ebenen findet die Bedarfsplanung statt?
Die Ärzte-Bedarfsplanung steht in unterschiedlicher Verantwortung. Die Ebenen der Bedarfsplanung sind:
- Bundesebene,
- Landesebene,
- Lokale bzw. kommunale Ebene.
Maßstäbe der Planungssteuerung sind auf Bundesebene die Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA, auf Landesebene der Bedarfsplan der Krankenkassen und KV sowie auf lokaler Ebene die Sonderbedarfsplanung durch die Zulassungsausschüsse für die Bezirke der KV.
Welche Rolle spielen die Bedarfsplanungsebenen?
Auf Bundesebene werden die allgemeingültigen Ziele und Kennzahlen ausgewiesen, beispielsweise Verhältniszahlen, Arztgruppen, der Morbiditätsfaktor und Planungsbereiche. Diese bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen werden durch die Landesausschüsse der Ärzteschaft und Krankenkassen umgesetzt. Die KV erstellen in Abstimmung mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen regionalen Bedarfsplan, in dem sich die örtliche Versorgungssituation, die Umsetzung der bundesweiten Vorgaben und regionale Besonderheiten widerspiegeln. So werden die Planungsbereiche ggf. angepasst, eine Unter- oder Überversorgung festgestellt und regionale Verhältniszahlen berechnet. Auf lokaler Ebene besteht die Möglichkeit, örtlichen Sonderbedarf in gesperrten Planungsbereichen festzustellen, für bestimmte Arztgruppen die Zulassungsbeschränkungen aufzuheben und in einzelnen Fällen weitere Vertragsärzte in gesperrten Gebieten zuzulassen.
Was sind Verhältniszahlen?
Die vorgegebenen Verhältniszahlen sind ein Hauptsteuerungsinstrument der Bedarfsplanung. Sie werden mit der Einwohnerzahl pro Arzt angegeben und drücken aus, wo das Soll-Versorgungsniveau für eine Arztgruppe oder einen Planungsbereich liegt. Darin ist die optimale Gesundheitsversorgung des Planungsgebiets ersichtlich. Der Gesetzgeber hat sie anhand des Standes am Jahresende 2010 festgelegt, an dem die Gesundheitsversorgung als angemessen betrachtet wurde. Inzwischen werden die Verhältniszahlen nach der Bedarfsplanungsreform von 2019 alle 2 Jahre an die demografische Entwicklung und die Morbidität der Bevölkerung, also die Krankheitsdisposition und -häufigkeit nach Altersgruppen, angepasst. Die bundeseinheitlichen Verhältniszahlen bilden die Basis für die Ermittlung der regionalen Verhältniszahlen, anhand derer die örtliche Versorgungssituation bewertet und ins Verhältnis zum Bundesdurchschnitt gesetzt wird. Für jede Arztgruppe werden eigene Verhältniszahlen berechnet.
Wie wirkt der Morbiditätsfaktor?
Der Morbiditätsfaktor wurde mit der Bedarfsplanungsreform weiterentwickelt und stärker segmentiert. Er umfasst jetzt 4 Altersgruppen (unter 20, 20 bis unter 45, 45 bis unter 75, 75 Jahre und älter). Zusätzlich unterscheidet er zwischen Geschlechtern und erhöhter sowie nicht erhöhter Morbidität. Der G-BA fand in einem Gutachten bestätigt, dass sich diese Gruppen erheblich in ihrem Leistungsbedarf unterscheiden. Die Anwendung des Morbiditätsfaktors als eine veränderte Krankheitslast im Verlaufe des Lebens und unter regionalen Gesichtspunkten führt zu einer Anpassung der Verhältniszahlen und damit des Versorgungsniveaus. Die demografische Entwicklung findet in Zukunft bei der Planung des Versorgungsniveaus kontinuierlich Berücksichtigung. Alle 2 Jahre wird die aktuelle Bevölkerungsstruktur mit der zum historischen Stichtag abgeglichen, wie sich die Bevölkerung nach den 4 Alters- und den 2 Geschlechtergruppen im Vergleich zum Stichtag 31.12.2010 regional verteilt.
Generell hat die Alterung der Bevölkerung für Arztgruppen, die überwiegend ältere Patienten behandeln, eine niedrigere Verhältniszahl und damit ein höheres Soll-Niveau zur Folge als für Ärzte mit größtenteils jungen Patientinnen und Patienten wie Kinder- und Jugend- oder Frauenärzte. Die bundeseinheitlichen allgemeinen Verhältniszahlen werden dann entsprechend dem regionalen Morbiditätsfaktor angewendet. Regionen mit einer nachteiligen Krankheitshäufung bekommen mehr Vertragsarztsitze genehmigt, während Gebiete mit einer günstigen Morbidität weniger Ärztinnen und Ärzte bewilligt bekommen.
Worum handelt es sich bei den Versorgungsebenen?
Die Versorgungsebenen bilden das Gerüst der Planung. Laut Richtlinie ist jede Arztgruppe einer der 4 Versorgungsebenen zugeordnet:
- hausärztliche Versorgung,
- allgemeine fachärztliche Versorgung,
- spezialisierte fachärztliche Versorgung,
- gesonderte fachärztliche Versorgung.
Die Unterteilung liegt in den Besonderheiten und dem unterschiedlichen Bedarf an Betreuung im haus- bzw. fachärztlichen Bereich begründet. Bei Hausärzten, die zur Grundversorgung gehören, ist Wohnortnähe ein wichtiges Planungskriterium. Je spezieller die Facharzttätigkeit ist, desto größer kann das Einzugsgebiet für einen Facharzt sein, ohne dass die bedarfsgerechte vertragsärztliche Versorgung in Frage gestellt ist.
Welche Arztgruppen gibt es?
Die Einteilung nach Arztgruppen leitet sich aus der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer ab. Damit sollen vergleichbare Ärzte mit ähnlichem Leistungsauftrag nach dem gleichen Schema beplant werden.
- Hausärzte bilden die 1. Versorgungsebene.
- Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, HNO-Ärzte, Hautärzte, Nervenärzte, Psychotherapeuten, Orthopäden, Urologen und Kinderärzte gehören zur 2. Versorgungsebene.
- Die 3. Versorgungsebene umfasst Fachinternisten, Anästhesisten, Radiologen sowie Kinder- und Jugendpsychiater.
- PRM-Mediziner, Nuklearmediziner, Strahlentherapeuten, Neurochirurgen, Humangenetiker, Laborärzte, Pathologen und Transfusionsmediziner sind der 4. Versorgungsebene zugeordnet.
Die Arztgruppen werden in unterschiedlich großen Räumen beplant. Bei Hausärzten beziehen sich die Soll-Arztzahlen auf den kleinsten Raum, während die spezialisierte fachärztliche Versorgung mit größeren Raumordnungsregionen kalkuliert ist. Die Praxis eines Nuklearmediziners muss sich nicht um die Ecke befinden, die des Hausarztes dagegen sollte wohnortnah sein. Die Gebietsgrößen und die Steuerungsinstrumente sichern eine den Patientenbedürfnissen angemessene Verteilung der Ärzte in der breiten Fläche.
Was versteht man unter einem Versorgungsgrad?
Mithilfe des Versorgungsgrades wird die Gesundheitsversorgung einer Region gemessen und bewertet. Er ergibt sich als Quotient aus der tatsächlichen Einwohner-Arzt-Relation und der Soll-Verhältniszahl. Der Versorgungsgrad wird in Prozent ausgewiesen. Ein Versorgungsgrad von 100 Prozent zeigt an, dass genauso viele Ärzte im Planungsbereich tätig sind, wie benötigt werden. In diesem Fall gehen die Behörden von einer ausreichenden Gesundheitsversorgung aus.
Die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen schätzen die Versorgungssituation pro Arzt und Planungsbereich sowie die regionalen Besonderheiten aus dem Bedarfsplan ein. Der festgestellte Versorgungsgrad bildet die Grundlage der Entscheidungen für die Kassenzulassung bzw. Niederlassung von Ärzten. Es wird daraus abgeleitet, ob sich zusätzliche Ärzte mit eigener Praxis selbstständig machen können und welche Maßnahmen zur Verbesserung oder Sicherung der Patientenversorgung ergriffen werden müssen.
Was sind Planungsbereiche?
Auf der Grundlage der Einwohnerzahl und des Zuschnitts eines Gebiets, der als Planungsbereich definiert ist, erfolgt die Bedarfsplanung. Die Festlegung, wie groß ein Planungsbereich sein sollte, orientiert sich am Einzugsgebiet einer Arztgruppe und an den Raumgliederungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Die Planungen für die 1. Versorgungsebene beziehen sich auf einen sogenannten Mittelbereich, der einer mittelgroßen Stadt mit Umland entspricht. Maßstab für die 2. Versorgungsebene sind Kreise bzw. kreisfreie Städte, die nochmals nach Kriterien wie mitversorgt, mitversorgend oder eigenversorgt unterteilt werden. Für die 3. Versorgungsebene wurden große Raumordnungsregionen geschaffen, die größeren Städten mit einem großräumigen Umland entsprechen. Die 4. Versorgungsebene umfasst für die Bedarfsplanung das Gebiet der jeweiligen KV. Örtliche Besonderheiten fließen dabei in die regionalen Bedarfspläne ein, sodass die Anzahl der Planungsbereiche variieren kann.
Auf der Versorgungsebene der allgemeinen fachärztlichen Versorgung finden Aspekte der Mitversorgung Beachtung. Der G-BA definiert die 6 raumordnungsspezifischen Planungskategorien wie folgt:
- stark mitversorgend bedeutet, dass größere, zentral gelegene Städte eine nicht unerhebliche Mitversorgung für die umliegenden Kreise übernehmen
- mitversorgend und mitversorgt: diese Städte versorgen das Umland mit, die Einwohner dieser Regionen suchen Ärzte in angrenzenden Regionen auf, zum Beispiel in Großstädten
- stark mitversorgt heißt: Kernstadt und Umland sind so eng verflochten, dass ein erheblicher Bevölkerungsanteil ärztliche Leistungen in der Kernstadt in Anspruch nimmt
- mitversorgt: weniger Verflechtung, teilweise Mit- und Eigenversorgung der Region
- eine eigenversorgte Region steht für eine im Wesentlichen aus eigener Kraft organisierte und erbrachte Gesundheitsversorgung, meist im peripheren ländlichen Raum
- polyzentrischer Verflechtungsraum: hohe Verflechtung innerhalb der Regionen, die weder in mitversorgt noch mitversorgend differenziert werden können.
Jeder Kreis wird als einer dieser Versorgungstypen eingeordnet, sodass berücksichtigt werden kann, welche ärztlichen Leistungen in der Region untereinander und füreinander erbracht werden. Mitversorgt bedeutet eine geringere Arztdichte im Gebiet, während für mitversorgende Kreise mehr Ärzte eingeplant sind.
Wodurch unterscheiden sich offener und gesperrter Planungsbereich?
Ein offener Planungsbereich liegt vor, wenn die Ist-Versorgung unter dem Soll-Versorgungsniveau liegt. Bei einem Versorgungsgrad unter 110 Prozent wird der Planungsbereich als offen geführt. Das heißt, es können sich weitere Haus- und Fachärzte niederlassen. Für Ärzte, die sich in einem offenen Planungsbereich niederlassen wollen, gibt es keine Beschränkungen hinsichtlich der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Sie können uneingeschränkt eine neue Praxis eröffnen, eine bestehende als Nachfolger übernehmen oder ohne Weiteres in eine Gemeinschaftspraxis einsteigen.
Liegt der Versorgungsgrad über 110 Prozent, wird der Planungsbereich automatisch gesperrt. Will eine Ärztin oder ein Arzt sich dort niederlassen, benötigt sie oder er einen freien Arztsitz. In einem gesperrten Planungsgebiet müssen Ärzte auf eine frei werdende Praxis warten, indem ein Arzt in den Ruhestand geht oder aus anderen Gründen seine Zulassung zurückgibt. Auch die Nachbesetzung einer Praxis kann vom Zulassungsausschuss abgelehnt werden. Wollen Ärzte sich im gesperrten Gebiet niederlassen oder bei einem Vertragsarzt angestellt werden, geht das nur unter bestimmten Voraussetzungen. Das trifft beispielsweise bei regionalem Sonderbedarf in einem Teil des Planungsgebiets oder beim Jobsharing von 2 Ärzten zu. Dabei teilen sich 2 Ärzte eine Zulassung. In der Regel handelt es sich um einen Arzt, der mittelfristig seine Praxis abgeben möchte und den neuen Arzt, der zu diesem Zeitpunkt als Nachfolger dessen Kassenzulassung übernehmen kann oder später eine eigene zusätzliche halbe Zulassung bekommt.
Sonderbedarf besteht dann, wenn eine Versorgungslücke aufgrund territorialer Besonderheiten geschlossen werden muss. Diese Lücke kann es auch in ansonsten überversorgten Gebieten geben. Beispielsweise, wenn es in einem Kreis keinen Hautarzt mehr gibt oder ein Hausarzt im Ort fehlt. Der Zulassungsausschuss erteilt dann im Ausnahmefall eine Zulassung, nachdem er auch die vor Ort ambulant tätigen Ärzte konsultiert hat.
Wie wird in einem gesperrten Planungsbereich die Versorgung beeinflusst?
Zur Feinsteuerung von Niederlassungen in gesperrten Planungsgebieten stehen den Zulassungsausschüssen im Rahmen der Planungs-Richtlinie weitere Instrumente zur Verfügung. Damit in gesperrten Bereichen unter besonderen örtlichen Bedingungen oder aufgrund qualifikationsspezifischer Anforderungen ebenso die Versorgung gesichert werden kann, können ausnahmsweise zusätzliche Ärzte aufgrund einer Sonderbedarfszulassung erlaubt werden. Bedarfsabhängig können stationär tätige Ärzte aus einem Krankenhaus inhaltlich und zeitlich begrenzt zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden.
Außerdem sind Ablehnungen möglich, wenn ein Antrag auf Praxissitzverlegung oder Gründung einer Zweigpraxis vorliegt und diesem Versorgungsgründen entgegenstehen. Die Nachbesetzung eines Arztsitzes kann an außergewöhnliche Versorgungsvoraussetzungen gebunden werden. Die Bedarfsplanung wurde 2019 ebenso dahingehend reformiert, dass der G-BA für bestimmte Arztgruppen Mindestversorgungsanteile festgelegt hat: für Nervenärzte (Psychiatrie, Neurologie, Nervenärzte sowie doppelt approbierte Neurologen und Psychiater) und Fachinternisten (Rheumatologie). Kassenzulassungen werden so lange erteilt, bis die Mindestquoten erreicht worden sind. Für folgende Arztgruppen wurden Höchstversorgungsanteile festgesetzt: Großgruppen innerhalb der Inneren Medizin (Kardiologie, Gastroenterologie, Pneumologie, Nephrologie). Eine Nachbesetzung gibt es nur in Fachbereichen, in denen die Höchstquoten nicht überschritten worden sind.
Wann ist eine Unterversorgung zu verzeichnen?
Die Grenzen für einen unterversorgten Planungsbereich liegen bei 75 Prozent im Versorgungsgrad bei Hausärzten und bei 50 Prozent im fachärztlichen Bereich. Sind diese unterschritten, müssen die KV Maßnahmen zur schnellstmöglichen Beseitigung des Ärztemangels einleiten. Dazu zählen Fördermöglichkeiten für zusätzliche Vertragsärzte, wie Förderprogramme zur Weiterbildung von Allgemeinmedizinern oder Gehaltszuschüsse für Ärzte in Weiterbildung. Schon bei einer drohenden Unterversorgung, wenn absehbar ist, dass beispielsweise viele der im Planungsbereich tätigen Ärzte aus Altersgründen ausscheiden, kann der Landesausschuss mit Fördermaßnahmen gegensteuern. Nur der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ist berechtigt, eine solche Mangelversorgung festzustellen, er trifft dann die entsprechenden Entscheidungen.
Was sind regionale Abweichungsmöglichkeiten?
Durch die regionalen Abweichungsmöglichkeiten wird die Bedarfsplanung flexibel. Da einer optimalen Ärzteversorgung nicht in allen Regionen mittels bundesweiter Durchschnitte gerecht werden kann, braucht es spezielle Instrumente zur bedarfsgerechten Planung in den einzelnen KV-Regionen. Hauptsächlich regelt das der territoriale Bedarfsplan, in dem der gegenwärtige Stand der Gesundheitsversorgung dokumentiert wird. Nach gründlicher Analyse leiten die Landesausschüsse daraus die erforderlichen Maßnahmen ab.
Regionale Abweichungsmöglichkeiten ergeben sich aus örtlichen Besonderheiten, dazu gehören:
- die Krankheitsdisposition der Einwohner,
- demografische Faktoren,
- sozioökonomische Faktoren, zum Beispiel Bildungsstand, Einkommen usw.,
- räumliche Faktoren oder
- infrastrukturelle Merkmale.
Seit 2019 besteht aufgrund des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Möglichkeit, im Bedarfsplan unabhängig von den regulären Planungsvorgaben zusätzliche freie Arztsitze auszuweisen. Die obersten Gesundheitsbehörden des jeweiligen Landes weisen ländliche oder strukturschwache Regionen aus, in denen zur Verbesserung der Gesundheitsleistungen keine Zulassungssperren für bestimmte Arztgruppen oder Fachgebiete bestehen. Wird ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf festgestellt, können in unterversorgten Teilregionen zudem Förderprogramme zur Unterstützung der Ärzteansiedlung aufgelegt werden.
Warum gewinnt die Bedarfsplanung an Bedeutung?
Die Kassenzulassung von Vertragsärzten wird über die Bedarfsplanung gelenkt. Die Versorgung mit Arztleistungen muss den sich verschlechternden demografischen Bedingungen Rechnung tragen. Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich die Anzahl der Medizinstudenten kontinuierlich erhöht. Von einem generellen Ärztemangel in allen Bereichen kann man daher nicht sprechen. Es fehlen vor allem Hausärzte und Ärzte im ländlichen Raum, in dem mitunter eine geringe Bevölkerungsdichte und eine mangelhafte Infrastruktur vorhanden sind. In der fachärztlichen Versorgung in städtischen Gebieten besteht dagegen teilweise eine Überversorgung.
Dennoch wird sich der strukturelle Ärztemangel in den nächsten Jahren noch verschärfen. Eine weiter alternde Bevölkerung benötigt mehr ärztliche Leistungen. Die Gesamtzahl berufstätiger Ärzte nimmt zwar zu, jedoch sind immer weniger junge Mediziner bereit, das Risiko einer freiberuflichen Tätigkeit zu tragen. Sie suchen sich andere Betätigungsfelder oder die Anstellung. Die Zahl niedergelassener Ärzte sinkt daher in den letzten Jahren im Verhältnis, vor allem Haus- und Allgemeinarztpraxen sind davon betroffen. Insgesamt sind die Niederlassungschancen für künftige Ärzte in Deutschland also gut.
Wie wird sich der Ärztebedarf in Zukunft entwickeln?
Da viele niedergelassene Ärzte den geburtenstarken Jahrgängen angehören, wird sich der Trend zur Verringerung niedergelassener Ärzte in Zukunft verstärken. Nicht alle Mediziner, die in den Ruhestand gehen, werden Praxisnachfolger finden. Zudem sind zwei Tendenzen zu verzeichnen, die mittel-bis langfristig den Ärztebedarf erhöhen. Die Medizin wird weiblicher und die Work-Life-Balance ist heutigen Ärzten in Weiterbildung wesentlich wichtiger als früheren Ärzte-Generationen. Niedergelassene Ärzte werden gebraucht, insbesondere Hausärzte. Eine Lösung für die Patientenbetreuung im ländlichen Raum ist die bessere Vernetzung des Gesundheitssystems und die Digitalisierung der Arztpraxen. Videosprechstunden können Ärzte beispielsweise bei Routinekonsultationen und Hausbesuchen entlasten. Online-Sprechstunden sparen Ärzten wie Patienten Zeit und Geld. Sie erfahren in unserem Ratgeber Videosprechstunde wie Sie die Vorteile der digitalen Telemedizin in der eigenen Praxis nutzen können.
Wie kann eine Ärzteberatung gründungswilligen Ärzten helfen?
Eine unabhängige Ärzteberatung bringt in den Gründungsprozess ihre Expertise zur Praxisfinanzierung oder zu Praxisversicherungen ein. Sie ergänzt als Spezialist für die wirtschaftlichen Fragen der Niederlassung die fachliche Qualifizierung. Ihre Rolle geht jedoch oftmals weit darüber hinaus.
Widersprechen sich Wunsch und Wirklichkeit vor der Existenzgründung, weil Sie sich beispielsweise in einem gesperrten Planungsbereich niederlassen wollen, besteht kein Grund, den Traum von der eigenen Praxis aufzugeben. Etwas Flexibilität und Initiative verhelfen Ihnen dennoch zur eigenen Praxis. Dabei sollten Sie folgende Möglichkeiten kennen: In einem offenen Planungsbereich müssen die freien Arztsitze ausgeschrieben werden, sodass sich jeder Facharzt darauf bewerben kann. Auch in gesperrten Bereichen besteht die Möglichkeit, mittel- bis langfristig in der eigenen Praxis zu arbeiten. Zum einen können Sie sich informieren, welche Ärzte in der Region ihre Kassenzulassung abgeben möchten und über ein Nachbesetzungsverfahren und die Bewerbung auf diesen Arztsitz selbstständig werden. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung wissen wir, dass auch eine zeitweilige Anstellung bei einem erfahrenen Facharzt zum Ziel der eigenen Praxis führen kann. Welcher Weg am besten zu Ihnen und Ihrer persönlichen Situation passt, finden wir gemeinsam heraus.
Der Wahl des Praxisstandorts kommt entscheidende Bedeutung zu. Diese bestimmt nicht nur den Wohnort des künftigen Vertragsarztes, sondern auch den Umfang der erbrachten Leistungen und die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Tätigkeit. Beginnen Sie rechtzeitig mit der Suche nach einem geeigneten Standort. Hilfreiche Informationen für eine Praxisübernahme finden Interessenten in unserer Praxisbörse. Unsere erfahrene Ärzteberatung kennt die Wünsche und Vorstellungen sowohl der Praxisanbieter als auch ihrer potenziellen Nachfolger. Durch unsere langjährigen Kundenbeziehungen, unser Netzwerk und Kooperationen offerieren wir in unserer digitalen Praxisbörse Angebote frei werdender Praxen. Seriöse und aktuelle Informationen erhalten Sie auf unserer Webseite. Registrieren Sie sich in unserer Praxisbörse. Wir stellen unkompliziert den Kontakt vom Praxisverkäufer zum Praxisübernehmer her. Anschließend kann sich der Praxisinteressent problemlos auf den freien Arztsitz bewerben. Mit dem abgebenden Arzt wird dann der Vertrag zur Praxisübernahme abgeschlossen.
Vorher sind zahlreiche Details zu klären, beispielsweise wie die Praxisfinanzierung erfolgen soll und wie ärztliche Arbeitskraft, Mitarbeiter, Ablauf, Räume und Einrichtung der Praxis abgesichert werden. Bevor nicht klar ist, wie die Praxisübernahme finanziert wird, sollte kein Vertrag, gleich welcher Art, unterzeichnet werden. Ebenso wichtig ist die Frage, welche Praxisversicherungen für Gründer bzw. Nachfolger notwendig sind. Gefahren, die sich aus dem Praxisalltag, beispielsweise Cyber-Risiken oder aus der Behandlung von Patienten ergeben, müssen finanziell abgesichert sein. Anderenfalls droht das wirtschaftliche Aus für die Praxis. Sie tragen ansonsten als Praxisinhaber den Schaden selbst, wenn in Ihre Praxis eingebrochen wird oder Sie nicht mehr arbeitsfähig sind. Alles über die verschiedenen Risiken für einen Vertragsarzt und wie Sie sich am besten dagegen schützen, können Sie in unserem Ratgeber Praxisversicherungen erfahren. Wir passen Beitrag und Leistung der Praxisversicherungen Ihren individuellen und geschäftlichen Bedürfnissen an. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf, wir unterstützen Sie bei der Auswahl der passenden Tarife.